KATARRHUS

von
Gregor Franz

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[Kommentar: Ursprünglich war diese Geschichte als Titel-Story für ein nie zu Ende programmiertes Computer-Spiel gedacht. Im Spiel ging es lediglich darum, ein kleines, sich den Weg durch seine Feinde freiballerndes Raumschiff durch einen Hintergrund von Chips und Leiterbahnen zu steuern. Auch unter diesen Bedingungen wollte ich zeigen, daß die Story nicht ganz so platt werden muß, wie die meisten von ähnlichen Spielen: Bösen, dummdreisten Außerirdischen fällt es urplötzlich ein, in Scharen loszuziehen, um die Erde zu vernichten und ein einsamer Held, mit dem einzigem verfügbaren Superduper- kampfraumer muß sich ihnen entgegenstellen (oder so ähnlich) ...]

(so geschehen 1993)

Fortsetzung:

 Gehetzt wandte sich Misan Teriks alias Konter Fei mitten im Lauf
 um.
  Langsam wurde es wirklich knapp. Das Stiefelgetrappel kam immer
 näher. Gefährlich näher, aber er hatte es fast geschafft.
  In seinem Ohr meldete sich plötzlich leise der Piepser mit
 hektischen Quietschlauten. Sein Störsender war also ausgeschaltet
 und er in diesem Moment wahrscheinlich schon auf einem Bildschirm
 zu sehen.
  Als er hinter sich einen verhaltenen Befehlsruf hörte, ließ
 Misan sich instinktiv zu Boden fallen, sonst hätte er wahrschein-
 lich ein daumengroßes Brandloch sein eigen genannt.
  Schnell rutschte er zur gegenüberliegenden Wand, drehte sich um
 und übersah die Situation hinter sich.
  Mehrere Soldaten hatten am anderen Gangende hinter dessen Bie-
 gung Deckung gesucht und wagten sich nur kurz hervor, um mit
 ihren schwerkalibrigen Militärlasern zu feuern.
  Er gab ein paar Schüsse in ihre Richtung ab und versengte etwas
 den Wandbelag in ihrer Nähe. Misan Teriks lag an der Wand so gut,
 wie ohne Deckung. Die Gangkreuzung war nur noch wenige Meter
 entfernt.
  Dadurch, daß sich die Soldaten hinter der rechten Gangecke
 befanden, während er etwa zehn Meter weiter an der gegenüber-
 liegenden linken Wand lehnte, hätten sie sich weiter vorwagen
 müssen, um ihn zu treffen und wären damit in sein Feuer gerannt.
 Trotzdem würde er bei einem geballten Angriff schnell den
 Kürzeren ziehen.
  Ein voreiliger Soldat in schwarzer Uniform warf sich vor, um
 hinter die gegenüberliegende Gangecke zu gelangen.
  Teriks feuerte auf gut Glück ein paar mal in seine Richtung und
 traf ihn tatsächlich am Arm. Der Soldat schrie laut auf, aber
 irgendwie gelang es ihm noch hinter die Deckung zu kommen.
  Seine wütenden Kameraden wurden daraufhin dreister und schossen
 jetzt ein paar Magazine in seine Richtung ab, während sie be-
 gannen weiter vorzurücken.
  Von mehreren Treffern über ihm, die sich als schwarze Striemen
 in die Wand eingebrannt hatten, tropfte heißes Plastik auf seinen
 Arbeitsanzug. Hier würde er sich keinen Moment länger halten
 können.
  Misan Teriks gab noch ein paar Schüsse auf die Angreifer ab,
 von deren Wirkung er sich nicht mehr überzeugen konnte, da er
 einen gewaltigen Hechtsprung vorwärts machte.
  Neben ihm schlugen mehrere Laserblitze ein, als er sich blitz-
 schnell hinter den linken Gangabzweig der Kreuzung rollte.
  Ein Feuerstoß mußte ihn gestreift haben. Auf seinem Rücken
 breitete sich höllischer Schmerz aus und es roch nach ver-
 branntem Stoff und versengter Haut.
  Vorsichtig fühlte er mit der linken Hand nach. Aber scheinbar
 hatte der Laserstrahl die Wunde gleichzeitig zugeschweißt.
  Teriks gab, ohne sich zu zeigen, ein paar Schüsse um die Ecke
 ab, um die Soldaten auf Distanz zu halten. Danach kroch er
 schnell auf eine kleine, kaum erkennbare Klappe zu, die in
 Bodennähe angebracht war.
  Als er den Blaster in die Linke nahm und mit der Rechten hastig
 an einem Tronic-Schlüssel in seiner Innentasche zerrte, regis-
 trierte er, daß die roten Digitalziffern am Abzug der Waffe nur
 noch acht Schuß anzeigten. Den scheckkartenähnlichen Schlüssel
 steckte er in einen Schlitz an der Klappe.
  Mit einem kleinen, glockenähnlichem Geräusch, sprang sie auf.
 Dahinter waren ein winziger, im Moment dunkler Bildschirm mit
 Tastatur und ein roter plombierter Druckschalter zu sehen.
  Ohne zu zögern riß Misan die Plombe mit einem kurzen Ruck ab
 und schlug mit der flachen Hand auf den Schalter.
  Ein starkes Summen begann zu ertönen und als er sich umdrehte,
 schossen aus der Decke mitten auf der Kreuzung zahlreiche, weiß-
 gleißende Strahlen, die ein vorerst unüberwindliches Lasergitter
 bildeten. Zwischen den einzelnen, faustdicken Strahlen gab es nur
 sehr schmale Spalten.
  Hinter der Barriere fluchten die Soldaten, die umsonst vorge-
 stürmt waren, als einer ihrer abgeschossenen Laserstrahlen mit
 überlautem Gesirre von dem Bollwerk abprallte und als Quer-
 schläger zurückkam.
  Noch etwas benommen, fuhr sich Misan Teriks über die Augen.
 Hatte sich der Einbau des Gefängnisgitters, daß er unter großen
 Gefahren und hohem Verbrauch von Bestechungsgeldern als Einzel-
 teile bekommen hatte, also wirklich gelohnt.
  Er hatte vier Tage dafür gebraucht, es hier einzubauen. Keiner
 hatte ihn nach dem Grund seiner Arbeiten gefragt, obwohl er sie
 als Klimaanlagenreparatur auszugeben bereit gewesen war.
  Auf den Bildschirm, neben dem er lehnte, war Leben gekommen.
 Zahlreiche Angaben und Daten liefen von unten nach oben durch.
 Er betrachtete ihn nun genauer und tippte sich zufrieden gegen
 den Ohrhörer.
  Tatsächlich war dessen leises Gefiepe verstummt. Die verkabelte
 Kommunikation in der Westhälfte dieser Stadtebene war zusammen-
 gebrochen. Mit dem Druck auf den roten Knopf hatte er nicht nur
 die Laserbarriere in Gang gesetzt, sondern auch ein bestimmtes
 Signal ausgesendet.
  Um den Informationsaustausch per Kabel in dem gesamten Bereich
 lahmzulegen, hätte es nicht ausgereicht irgendwo ein paar der
 Leitungen zu sabotieren. Also hatte er die Idee gehabt, selbst-
 gemachte Virenprogramme einzusetzen.
  Doch trotzdem er ein durchaus guter Programmierer war, wußte
 er, daß in die hochgesicherten Stadtcomputer, die für das Daten-
 netz verantwortlich waren, keine noch so unscheinbaren Viren
 eingesetzt werden konnten, ohne daß sie bemerkt worden wären.
  Die zahlreichen, über der Deckenverkleidung befindlichen Knoten-
 punkteinheiten, die einen Datenverlust über die großen Strecken
 innerhalb Pyronhas ausschließen sollten, waren mit hochentwickel-
 ten, elektronischen Computereinheiten versehen.
  Hier hatte er ansetzen wollen. Aber eigentlich waren sie nicht
 direkt mit der Außenwelt verbunden, damit man an ihnen nicht
 herummanipulieren konnte.
  Teriks jedoch ließ sich seine Virenprogramme an normale Daten-
 sendungen anhängen und wenn diese durch die Knotenpunkte gesendet
 wurden, koppelten sich die Viren ab und warteten auf ein bestimm-
 tes Signal, um sich zu aktivieren und die Knotenpunkte außer
 Betrieb zu setzen.
  Misan Teriks hoffte, daß die Verwirrung, die er damit stiftete,
 ausreichen würde, um relativ ungeschoren an sein Ziel zu gelangen.
  Froh war er jetzt schon mal, als er nach der kleinen Flasche
 Wundbalsam griff, die er vorsorglich in einer Ecke des Wartungs-
 faches deponiert hatte.
  Vorsichtig sprühte er sich seinen Rücken damit ein und dachte
 an den Grund, warum er hier nicht mehr Verbandszeug gelagert
 hatte.
  Wenn er mehr als diese eine Sprühflasche brauchen würde, so war
 seine Überlegung gewesen, hätte er sowieso keine Chance mehr, es
 zu schaffen.
  Langsam stand er auf, stellte die Flasche zurück, schlug die
 Klappe zu und rannte ohne weitere Verzögerungen weiter. Tatsäch-
 lich fühlte er auf dem Rücken nur noch eine kühle, etwas taube
 Stelle.
  Während seines Laufes sah er kurz auf die Uhr. In seinen
 Gliedern machte sich langsam die Anstrengung bemerkbar, was
 seiner Leistungsfähigkeit aber bis jetzt noch keinen Abbruch tat.
  'Bei diesem Tempo noch etwa zehn Minuten', dachte Teriks und
 versuchte sich auf den Weg vor sich zu konzentrieren, wobei er
 zufrieden feststellte, daß die großen seitlichen Alarmleuchten
 in den Wänden noch nicht rot aufgeflammt waren.
  Dieser Ebenenbereich schien mehr kleinere Hallen zu beherbergen,
 als der, den er gerade eben verlassen hatte. In den Gängen
 passierte er daher jetzt häufiger eine, von den Schiebetür-
 öffnungen, die durch das Auflegen der Hand auf eine Digiba-
 Scheibe geöffnet wurde. Außer den personentypischen Hautlinien,
 testete sie auch die jeweilige Körpertemperatur und Feuchtigkeit.
  Ihm fiel ein, daß einer seiner Arbeitskollegen, den die anderen
 alle nur 'Clown Dolli' nannten, die makabre Wahrheit ausge-
 sprochen hatte: "`Ne abgehackte Hand draufdrücken, alleine reicht
 nicht."
  Jetzt nahm er den rechten Abzweig und lief in einen Gang, in dem
 hier und da provisorisch ein paar Kisten gestapelt waren, als
 plötzlich, etwa zwanzig Meter vor ihm auf der linken Seite, mit
 einem leisen Zischen eine Tür aufglitt und zwei behelmte Soldaten
 heraustraten. Die Tür schloß sich sofort wieder.
  Jeder von ihnen trug einen schweren, silberspiegelnden Panzer.
 Also waren das 'Silberlinge', zumindest wurden diese Spezial-
 patrouillen von den Einwohnern Pyronhas unter vorgehaltener Hand
 so genannt.
  Sie erfaßten die Situation sehr schnell und während der eine
 sofort die Hand neben die Tür drückte, um sie zu öffnen und
 Hilfe zu holen, sprang der andere, ein paar Schüsse aus seinem
 Lasergewehr abfeuernd, hinter ein paar Kisten, die genau gegen-
 über dem Eingang standen.
  Auch neben Misan befanden sich einige Kisten, ebenfalls auf der
 rechten Seite, die ihm eine, leider etwas dürftige, Deckung boten.
  Die Handüberprüfung an der Tür dauerte einige Sekunden und der
 Soldat, der dort ohne jede Deckung stand, fühlte sich sichtlich
 unwohl, während er einen vereinzelten Schuß in Misans Richtung
 abfeuerte.
  Teriks mußte aber verhindern, daß noch mehr Gegner kamen, also
 schoß er zurück. Der Strahl, der den Soldaten in die Seite getrof-
 fen hätte, prallte von seinem dicken, spezialverspiegelten Panzer
 ohne große Wirkung ab. Der Aufprall, hatte ihn lediglich etwas
 durchgeschüttelt.
  Verbissen drückte er weiterhin seine Hand auf die Tür.
 Da Misan Teriks wußte, daß die Glieder der Soldaten, auf Grund
 der Bewegungsfreiheit, etwas weniger geschützt waren, als der
 Rumpf, schoß er, ohne auf das Deckungsfeuer dessen Kameraden zu
 achten, ein paar Schüsse auf seine Beine ab.
  Und tatsächlich mußten sie die Panzerung irgendwo durchschlagen
 haben, denn der Soldat fiel wie gefällt um. Der Schmerz hatte
 ihm offenbar das Bewußtsein geraubt. Mit einem weiteren gezielten
 Schuß zerstörte Misan dann die Digiba-Scheibe.
  Seine Deckung, die nur aus ein paar porösen Plastikkisten
 bestand, würde dem nun folgenden Dauerfeuer des zweiten 'Silber-
 lings' nicht mehr lange standhalten, erkannte er, als sie sich
 langsam in ihre Bestandteile aufzulösen begann.
  Der Ergo-Blaster machte durch hastiges, oranges Blinken auf
 sich aufmerksam. Das Magazin war leer. Schnell drückte er auf
 die Auswurfautomatik und das leere Magazin klirrte zu Boden. In
 den Schaft drückte er nun sein erstes Reservemagazin.
  Überraschend trat er kurz aus der Deckung und feuerte mehrmals
 auf sein Gegenüber, der sich zu weit hervorgewagt hatte und ein
 paar Treffer einfing.
  Allerdings verpufften sie wirkungslos auf seinem Rumpfpanzer.
 Ehe er zurückfeuern konnte, brachte Misan sich schnell hinter
 den Kisten in Sicherheit und atmete tief durch.
  Mit dieser Möglichkeit hatte er aber gerechnet und sich deshalb
 nicht ohne Grund für seine V 12 entschieden. Ihre obere, ebene
 Fläche, direkt über der Fusionskammer, drückte er nun erst nach
 unten und schob sie dann nach hinten weg. Selbstständig erhob
 sich daraus jetzt ein Mechanismus, der entfernt an ein Zielfern-
 rohr erinnerte.
  "Na dann, Waidmanns Heil", flüsterte er leise, seinen Blaster
 vor sich abhaltend und bereit, mit ihm aus seiner Deckung heraus-
 zufeuern.
  Die Waffe seines Gegners schwieg jetzt einen Moment.
 Vielleicht weil er ebenfalls das Magazin wechseln mußte?
  Misan überlegte nicht lange, ob es andem war, oder nicht,
 sondern warf sich vor und rannte, alle Ängste für den Moment
 ausschaltend, in Richtung des Soldaten. Nach ein paar Metern
 hatte er ihn im Blickfeld.
  Tatsächlich stand er da und war dabei, ein Magazin in sein
 Gewehr einzulegen. Verdutzt sah er auf.
  Immer noch im vollen Lauf riß Teriks seine Arme hoch und feuerte
 durch einen halbgedrückten Abzug mehrere Farbkugeln auf den
 anderen ab. Es kam ihm vor, als laufe alles in Zeitlupe ab.
  Der 'Silberling' schaute kurz wie ein begossener Pudel an sich
 herab - sein glänzender Schutzpanzer war mit zahlreichen, großen,
 bunten Farbklecksen bedeckt. Dann richtete er mit einem Aufschrei
 die Waffe auf Misan, um zu schießen.
  Im selben Moment, in dem er quer zur Seite sprang, gab Teriks
 einen echten Schuß auf den beschmutzten Rumpf des Soldaten ab.
  Der verfehlte ihn mit seinem unvorbereiteten Laserstrahl nur
 äußerst knapp, doch plötzlich faßte er sich an seinen Bauch, von
 dem eine kleine Rauchfahne aufstieg. Der Panzer hatte Misans
 Volltreffer nicht reflektieren können und ein Loch hatte sich in
 ihn gebrannt.
  Misan Teriks war nach dem Sprung indes der ganzen Länge nach auf
 die Seite gefallen. Unfähig zu feuern starrte er stumm auf den
 Soldaten, der nur wenige Meter vor ihm nach Luft rang.
  Er war auf seine Knie gesunken und öffnete noch ein letztes Mal
 lautlos seine Lippen, um dann vornüberzukippen.
  Misan verharrte einen Augenblick reglos, um zu verarbeiten, was
 eben in diesen wenigen Sekunden passiert war.
  Er hatte gerade zum ersten Mal in seinem Leben einen Menschen
 getötet, keine Spezialausbildung des Universums konnte ihn darauf
 genügend vorbereiten. Obwohl Teriks wußte, daß es einmal dazu
 kommen mußte, hatte er den Gedanken daran bisher verdrängt.
  Langsam stand er auf, sich unbewußt die schmerzenden Glieder
 reibend und nahm seinen Blaster vom Boden. Er warf einen Blick
 auf den Bewußtlosen neben der Tür und ging dann auf den anderen
 zu, der regungslos hinter den Kisten lag. Misan drehte ihn auf
 den Rücken und wandte sich dann kreidebleich ab.
  Da war nichts mehr zu machen.
 Er atmete tief durch und dachte daran, daß er sich beeilen müßte,
 wenn er diesen öden Planeten noch jemals verlassen wollte.
  Ohne weiter zu zögern, setzte er seinen Dauerlauf fort.
 Immer wieder zogen während des Laufens die Bilder dieser wenigen
 Sekunden an ihm vorbei. Er mußte sich davon befreien, denn sein
 Ziel war nah.
  Der Gang, der sich unendlich weit zu erstrecken schien, endete
 nun in einer kleinen Halle. Hinter ihr befand sich der hochent-
 wickelte Raumjäger des Fürsten Lnoli, der für einen Notfall zur
 Verfügung stehen sollte.
  Dieser Notfall war jetzt eingetreten, fand Misan Teriks. Niemand
 würde sich an dem Raumfahrzeug vergreifen, so meinte man. Deshalb
 stand hier nur ein Posten Wache und der war noch dazu in eine
 auffällige, bunte Paradeuniform gekleidet.
  Die Halle hatte einen dreieckigen Grundriß. In der Mitte der
 längsten Seite befand sich der türgroße Eingang zu dem kleinen
 Nothangar.
  Genau dort stand auch der Posten, auf sein riesiges, altertüm-
 liches Lasergeschütz gestützt. Sonst war die Halle menschenleer.
  An jeder Ecke des Dreiecks endete ein Gang. Misan befand sich
 im Linken und verbarg sich hinter einem Vorsprung, um seine
 Nerven noch etwas zu beruhigen.
  'So kurz vor dem Ziel machst du nicht schlapp', sagte er sich
 und das Zittern seiner Hände begann langsam zu schwinden. Breit-
 beinig sprang er in die kahle, schlecht beleuchtete Halle und
 richtete seinen Blaster auf den Posten: "Okay, ganz ruhig. Keine
 falsche Bewegung und laß deine Waffe fallen, Mann - sofort!"
  Seine Stimme schallte gespenstisch von den Wänden wieder .
 Doch der Posten reagierte sofort - und ließ seine Waffe zu
 Boden gehen.
  Vorsichtig ging Teriks auf ihn zu: "Los Hände hoch!", herrschte
 er ihn an. Als er den Wachposten erreichte, ließ Misan ihn sich
 gegen die Wand lehnen und durchsuchte ihn nach weiteren Waffen.
  Tatsächlich fand er einen Lasovolver, den er weit ins Dunkel
 der Halle schleuderte.
  "Was wollen Sie?", fragte der Posten, ein junger, gedrungener
 Mann, ängstlich.
  Misan antwortete nicht, sondern zwang ihn, seine Hand auf die
 Digiba-Scheibe neben der Tür zu legen. Tatsächlich schob sie sich
 in die Wand.
  "Unklug die Identität des Postens in die Platte einzuspeichern",
 murmelte Teriks. Dann gab er dem Posten mit dem Griff seines
 Blasters einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf, um ihn
 Bewußtlos zu machen.
  Eigentlich haßte er Gewalt, aber diese Methode war die beste
 Lösung für beide. Und als Geheimagent hatte man oftmals keine
 andere Alternative.
  Dann trat er durch die schmale Tür, die sich hinter ihm sofort
 wieder schloß.

                             ***

 "Ich will augenblicklich wissen, was dieser verdammte Spion ange-
 stellt hat, um die halbe Kommunikation Pyronhas lahmzulegen!",
 schrie Fürst Lnoli wutentbrannt.
  Selbst sein dunkler Spitzbart zitterte dabei lebhaft, stellte
 Hike Hammerhart, Chef des hiesigen CIB schadenfroh fest, der ihn
 interessiert beobachtete.
  "Halten sie hier nicht Maulaffen feil, sondern unternehmen sie
 gefälligst etwas, Oberst!", entlud sich des Fürsten Wut nun auch
 auf ihn.
  "Zu Befehl, Großfürst", antwortete er betont schneidig und
 wandte sich ab.
  Nervös trommelte der Fürst mit seinen Fingern auf den Armlehnen
 seines Throns herum. Immer noch trafen keine positiven Nachrich-
 ten ein.
  Der Cheftechniker der Stadt kam herangehetzt und nahm vor dem
 Thron Haltung an.
  "Nun Techniker Harjalas. In wieviel Minuten wird Pyronha wieder
 problemlos kommunizieren können?"
  Der Fürst betonte den 'Techniker' besonders, da er von Zivi-
 listen im allgemeinen nicht viel hielt.
  "Sir, Großfürst", rief der Cheftechniker aufgeregt, "Das wird
 noch Stunden in Anspruch nehmen. Wer das angerichtet hat, muß
 ein Spezialist gewesen sein. Er hat alle Signalverstärker durch
 Computerviren außer Gefecht gesetzt."
  Mit einer müden Handbewegung winkte Fürst Lnoli Harjalas weg,
 er fühlte sich zu ausgelaugt, um sich in einem weiteren Wutaus-
 bruch abzureagieren.
  "Wir denken, daß wir jetzt das Ziel dieses Konter Fei kennen,
 Großfürst", meldete sich Oberst Hammerhart wieder.
  "Was ist es?", fragte ihn Lnoli.
  "Der Not-Hangar mit ihrem persönlichen PLUS-Gleiter. Er wird
 fliehen wollen."
  "Das ist mir klar, daß er fliehen will", fuhr ihn der Fürst an,
 "Sie müssen ihn unbedingt aufhalten!"
  Hammerhart runzelte die Stirn: "Ich kann leider keine Wachein-
 heiten oder CIB-Männer in der Nähe des Hangars erreichen. Das
 einzige was ich tun könnte, ist einige meiner Agenten von hier
 aus loszuschicken, aber selbst in einem TURBOMIL dürften sie
 eine ganze Weile dorthin brauchen."
  Dem Großfürsten fehlten im ersten Moment die Worte. "Soll er
 etwa mit einem unserer modernsten Raumgleiter und dem einzigen
 Prototyp einer vernichtenden Waffe aus unserer Stadt, die voll
 ist von Soldaten, entfliehen können? Das würde mich zum Gespött
 der NASO machen. Wer weiß ob der König noch zu mir halten würde?",
 brach es nach einem kurzen Räuspern dafür um so intensiver aus
 ihm hervor.
  'Das wäre kein schlechter Nebeneffekt', fuhr es Oberst Hammer-
 hart unwillkürlich durch den Kopf. Laut sagte er: "Das wird
 nicht passieren, Großfürst. Sollte es dem Agenten gelingen, mit
 dem Jäger zu entkommen, wird ihn unsere im Orbit stationierte
 Raumflotte abfangen. Dem Rostblock lassen wir diese unschätz-
 baren Güter nicht in die Hände fallen. Wenn sie erlauben, werde
 ich sofort die notwendigen Anweisungen geben."
  Hike Hammerhart zog sich verneigend zurück. Nachdem er ein paar
 Befehle in sein Kehlkopfmikrofon gesprochen hatte, die die NASO-
 Flotte im All instruieren sollte, winkte er einen seiner Unter-
 gebenen zu sich: "Leutnant, geben sie jetzt den Befehl an die
 Agenten weiter, daß sie eingreifen können!"
  "Aber Oberst, schon direkt nach dem Defekt hätten wir sie akti-
 vieren können... ", wandte der CIB-Offizier ein.
  Er spielte auf das geheime, unabhängige Kommunikationssystem des
 NASO-Geheimdienstes an, von dem selbst Fürst Lnoli nichts wußte.
  Hike Hammerhart, der sich schon abgewandt hatte, drehte sich
 energisch um: "Führen sie unverzöglich ihren Befehl aus oder ich
 muß sie ersetzen lassen!"
  Der Leutnant wußte, was das bedeutete und schluckte: "Zu Befehl,
 Sir." Er salutierte und ging dann hastig in Richtung des Haupt-
 zentralenausgangs davon.
  'Du hast deine Chance gehabt, Konter Fei oder wie du auch heißen
 magst, dachte Oberst Hike Hammerhart.

                             ***

 Misan Teriks sah sich kurz in dem relativ kleinen Hangar um, den
 er betreten hatte. Außer dem einen großen, brandneu wirkenden
 Raumgleiter war aber nicht viel interessantes zu sehen.
  Die Stirnseite der quaderförmigen Halle war ein einziges
 riesiges Tor, daß sich, wie er wußte, von dem Gleiter aus öffnen
 ließ.
  Langsam ging er auf den schnittigen Raumjäger zu. Seine
 Konstrukteure hatten scheinbar eine große Portion Humor gehabt,
 denn an den Seitenflächen stand in großen, blauen Lettern:
 'PLUS' und klein darunter: "Prima Leben Und Sterben".
  Oder sollte dies eine Warnung sein?
 Misan machte sich jetzt lieber keine unnötigen Gedanken deswegen,
 sondern fing an, die an der linken Tragfläche eingehackte, dünne
 Plastikleiter hinaufzusteigen.
  Plötzlich war ihm als hätte er ein kurzes Piepen in seinem Ohr-
 hörer wahrgenommen. 'Das kann gar nicht sein', dachte er, 'jetzt
 kriege ich schon Sinnestäuschungen vor Abgespanntheit.'
  Oben angekommen hakte er die Leiter aus und ging vorsichtig auf
 das flache Cockpit zu, das sich kaum vom stromlinienförmigen Leib
 des Raumfahrzeugs abhob.
  Dabei fiel ihm ein kurzes Stativ mit Kugelgelenk auf, daß direkt
 hinter der Einstiegshaube fast wie eine Antenne aufragte. Das
 kleine drehbare Geschütz, was eigentlich darauf gehörte, fehlte.
  Prüfend zog er das neuartige Gerät aus seinem Overall, für das
 er schon soviel gewagt hatte.
  Könnte es klappen ?
 Er betrachtete die Waffe genau von allen Seiten, wobei ihm auf-
 fiel das die Bezeichnung 'Defluxtrusator' nur klein aufgedruckt
 war. In großer Schrift eingeprägt war jedoch das Wort 'REPIX' .
  Prüfend setzte Teriks das Gerät auf das Stativ und siehe da,
 tatsächlich schien es wie dafür gemacht. Jetzt mußte er nur
 noch das rote und das blaue Kabel, die aus dem REPIX-Gerät
 herauslugten in die richtigen Buchsen unter dem Kugelgelenk
 stecken.
  Leider waren dort keine Symbole angebracht, so daß er sich für
 eine von zwei Möglichkeiten entscheiden mußte. Misan Teriks
 hoffte, daß er die richtige genommen hatte und bückte sich, um
 die durchsichtige Cockpit-Haube anzuheben, die sich mit einem
 Schmatzen öffnete.
  Jetzt, wo er in dem bequemen Sitz Platz genommen hatte,
 studierte er die Schiffskontrollen vor sich. Misan fand sich
 schnell ein, da er schon einmal einen ähnlichen Typ geflogen
 hatte.
  Er zog die Haube über sich hinunter, bis sie sich wieder mit
 einem Sauggeräusch schloß. Dann drückte er auf den goldgelb
 blinkenden Schalter auf dem das Hallentor abgebildet war, das
 sich auch sofort geräuschlos öffnete.
  Zufrieden fuhr er die Turbinen hoch, hob ab und beschleunigte,
 um aus dem Hangar herauszukommen.
  Der Tank und die Akkus waren voll, wie ein kurzer Blick seine
 Erwartungen bestätigte. Also konnte es losgehen.
  Als er in den rotgrauen Himmel hineinschoß und die riesige
 Pyramidenstadt Pyronha hinter sich verschwinden sah, konnte er
 dort einige kleine Silberpünktchen erkennen, die sich ebenfalls
 von ihr gelöst hatten.
  Er beschleunigte zusätzlich und etwa eine Minute später hatte
 er die Atmosphäre von 'KATARRHUS' hinter sich gelassen.
  Misan Teriks wußte, daß es noch nicht so einfach ausgestanden
 sein würde. Doch ein paar Minuten Flug durch das All hatte er
 Ruhe vor Feinden. Und er stellte fest, daß KATARRHUS von weiter
 weg gar nicht so übel aussah.
  Als er dessen zweiten Mond hinter sich gelassen hatte, hingen
 sich mehrere NASO-Abfangjäger an sein Heck und begannen sofort
 mit ihren Bordgeschützen zu feuern. Sie mußten wohl von einer
 Mondbasis gekommen sein.
  Obwohl er jetzt viele Haken schlug und seinen PLUS-Jäger hoch-
 und runterzog, um ihren Schüssen zu entgehen, kamen sie langsam
 immer näher.
  Die Beschleunigungswerte des PLUS waren also nicht wesentlich
 höher, als die anderer Raumgleiter. Seine Vorzüge mußten auf
 anderen Gebieten liegen. 'Wahrscheinlich Reichweite, oder so',
 verschwendete er einen kurzen Gedanken daran.
  'REPIX', dachte er dann und musterte die Waffenauslöser auf
 seinem Steuerknüppel. Als er ohne zu zögern auf den roten Knopf
 für die Heckwaffe drückte, hatte das unglaubliche Konsequenzen.
  Was eigentlich mit seinen Verfolgern hätte passieren sollen,
 wirkte sich jetzt scheinbar auf ihn aus.
  'Das waren also doch die falschen Kontakte gewesen', dachte er
 noch. Ihm war,als ob der ganze Raumgleiter in die Waffe hinein-
 gezogen würde. Blitzschnell tauchte der Lauf der 'REPIX'-Waffe
 vor ihm auf, die Miniaturisierung mußte also in einer wahnsinnig
 hohen Geschwindigkeit vonstatten gehen.
  Mitten im Trudeln des kleiner werdens tauchte plötzlich neben
 seinem PLUS-Jäger ein großer Metallblock auf. 'Das ist also mit
 ihm passiert', dachte Misan, bis er mit seinem Gleiter für einen
 Augenblick in absolute Dunkelheit eintauchte.

                             THE END...

 Teil 1 erschien in der letzten Ausgabe (Nr. 3) des AmZeigers.


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